Zwischen Lichtdesign und Kunst 

( Highlight 1998, 33ff )

Das Spiel mit der menschlichen Wahrnehmung bedeutet die Auflösung und Neudefinition allgemein anerkannter Dimensionen.

Seit der Verhüllung des Reichstages in Berlin durch den Verpackungskünstler Christo hat sowohl der Kunstinteressierte als auch der "einfache" Politiker eindrucksvoll demonstriert bekommen, dass das Verkleiden eines Gebäudes eine ästhetische Aussage zur Folge haben kann und Architektur auf einer bis dato unbekannten Ebene definiert wurde. Für wenige Tage löste Christo die Strukturen der Fassade inhaltlich auf und reduziert die Architektur eines Gebäudes auf die Konturen. Die Idee der architektonischen Bewusstseinsänderung von Fassaden ist jedoch älter als Christos Realisierung in Berlin.

"Prospektiven" nannte sich das Projekt anlässlich der Erhebung der Salzburger Altstadt zum Weltkulturerbe. Die Salzburger Residenz, über Jahrhunderte Sitz der Fürsterzbischöfe und dadurch architektonischer Kern- und Ausgangspunkt politischer, kultureller, stadtplanerischer Aktivitäten, wurde im Rahmen der Festivitäten zur Projektionsfläche für eine musikalisch begleitete Abfolge von 20 Panoramen. Die Architektur und Charakteristik des Gebäudes aufgreifend, eröffneten sich dem Betrachter Prospekte und Perspektiven, räumlich wie zeitlich variierende Blicke auf die Geschichte, Gegenwart und mögliche Zukunft Salzburgs, auf die ästhetischen Objekte, Räume, Formen und Farben, in denen das Selbstverständnis dieser Stadt ihren Ausdruck fand und findet. Wenn sich Dia und Architektur im Moment der Projektion vereinten, entstand das eigentliche Bild. Die physische Präsenz des Ortes reflektierend oder sogar betonend, konstruierten sich durch bildliche und motivische Überformung, Überlagerung und Proportionsverschiebung neue Wahrnehmungszusammenhänge und Assoziationsspielräume. Im getragenen Tempo der begleitenden Musik entfalteten die Bilder ihre Leuchtkraft und Motivik. Nicht mit Hektik, sondern in Gelassenheit, begegneten sie der weiten Spanne historischer Zeit.
Beschleunigtes Tempo sowie Animationen durch zyklische Überblendungen und Scroller verwandelten bei der diesjährigen Linzer Klangwolke einen 12-geschossigen Hotelbau in eine gleichermaßen prachtvolle wie brachiale Maschinerie und geriet als Visualisierung der ersten industriellen Revolution zum Highlight der JopOpera-Inszenierung, komponiert vom Musikerduo Klaus Obermeier und Robert Spour. Dass das Medium - hier in einem eruptiven, ca. 10-minütigen Schauspiel konzentriert - auch Qualitäten für eine Dauerinstallation birgt, erkannte die überraschte Hotelleitung sofort. Hatte sie bisher auf eine konventionelle Fassadenbeleuchtung gesetzt, berät sie nun mit Förster über die allabendliche Metamorphose des weißen Turmes am Donauufer. Der Reichstag in Berlin übrigens war für Friedrich Förster in der Zeit der Umhüllung eine besondere Herausforderung.
Den meisten Besuchern der Reichstagumhüllung wurde vorenthalten, dass Förster und Pit Eitle auf die Umhüllung von Christo die Originalfassade projizierten und zumindest optisch für zehn Minuten die nächtlichen Betrachter völlig verwirrten. Die Kunst im Doppelpack regt zur Diskussion an, was denn nun die wahre Verpackung der Architektur, ob selbst die Originalfassade vielleicht nur eine Fassade sei.